Die letzten Maitage waren für mich immer etwas Magisches. Diese Ruhe, die alles um sich herum einhüllte und sogar mich, einen eher ängstlichen Menschen, beruhigte. Ich erinnere mich, wie die letzte Maiwoche in der Schule immer ruhige und stressfreie Tage bedeutete, an denen alles vorbei war und man nur noch auf den Sommer warten musste.
Jetzt ist es anders. Jetzt habe ich nicht das Gefühl, dass der Sommer naht. Mir ist immer noch kalt. Und ich weiß nicht, wie ich mich warm halten soll.
Ende Mai bedeutete auch Fahrten mit einer Gruppe olympischer Studenten nach Tschernihiw, unserem regionalen Zentrum. Es gab Studenten, die Preise bei Schulolympiaden, Wettbewerben oder der Kleinen Akademie der Wissenschaften gewonnen haben. Manchmal war ich dort, wahrscheinlich zufällig. Einmal, als ich in der zehnten Klasse der Ökologie-Olympiade war, erreichte ich einen guten Platz und ging zu den Preisverleihungen nach Tschernihiw. Es war ungefähr von 2. bis 3. Mai, es war warm, aber nicht heiß, und die Luft konnte noch kühl sein.
Es waren viele Kinder da und mit einigen konnte ich mich anfreunden. Nur für diese Zeit, zwei oder drei Tage, und dann passte alles wieder zusammen. Wir haben uns nicht vergessen, wir haben einfach nie wieder miteinander kommuniziert.
Aber ich freundete mich viel stärker mit einem Mädchen an. Sie war aus Tschernihiw, also konnte ich manchmal sogar zu ihr kommen und wir konnten das Wochenende zusammen verbringen. Zu Beginn des Krieges ging sie nirgendwo hin. “Ich wollte nicht, und meine Eltern würden nicht gehen, deshalb”, sagte sie. Als es in Tschernihiw ganz schlimm wurde, saß sie ständig im Keller ihres Wohnhauses und ging nicht raus. Jetzt geht es ihr gut, sie ist bei der Schwester ihrer Mutter in der Slowakei, aber sie redet nicht gern und erinnert sich nicht gern an diese Tage.
Das Einzige, was sie mir erzählte, war Folgendes: Ihr Vater ging gern wandern. Die Region Tschernihiw ist reich an Wäldern, also kann man hingehen und viel Interessantes sehen. Als das Gas, das Licht und die Wärme weg waren, kochte ihr Vater den Kaffee in einem Kaffeekännchen und erhitzte es mit einem großen Feuerzeug, welches man auch im Tourismus verwendet, dessen genauen Namen ich aber nicht kenne. Und so war der ganze Keller voller Menschen. Alle, die Kaffee wollten. Ein Kaffeekännchen für alle. Manchmal dauerte es Stunden lang und der Erste hatte vor einer Stunde seinen Kaffee ausgetrunken, während der Letzte ihn erst jetzt bekam.
Ich bin Menschen gegenüber nicht sehr aufgeschlossen, rede nicht gern viel und sage nicht genau, was ich fühle. Ich höre lieber zu. Und das war bei dieser Freundin schon immer so, aber als sie mir diese Geschichte erzählte, sah sie mich durch den Laptopbildschirm an und sagte: "Wenn du glücklich sein willst, musst du es versuchen." Ich versuche es. Ich versuche es schon lange. Es ist nicht meine Schuld, dass man es noch nicht sehen kann.
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